My home is the garbage

Wir biegen von der Hauptstraße mit dem Taxi ab. Es geht bergauf und der Weg wird kurviger. Vorbei an kleinen Hütten und Menschen, die uns hinterher schauen. Je näher wir unserem Ziel kommen, desto mehr Müll liegt links und rechts auf dem Boden. Nach einer guten halben Stunde erreichen wir den Ort, vor dem es mir schon graut. Den ich aber unbedingt endlich mal sehen möchte. Ein Ort, den ich mir nicht annähernd so schlimm vorstellen konnte, wie er tatsächlich ist.

Das Taxi hält an, wir bezahlen und steigen aus. Der erste Anblick ist erschreckend: ein Müllhaufen reiht sich dem nächsten. Mit Planen und Brettern bedeckte Behausungen, in denen tatsächlich Familien wohnen. Rauch steigt in den Himmel. Einige Jungen verbrennen Müll, stapeln alte Reissäcke zu einem Haufen. Es herrscht reges Treiben. Kinder spielen auf der Straße. Lastwagen fahren an uns vorbei, die zuvor von Arbeitern mit Müllsäcken beladen wurden. Wir können den Dreck riechen, der in der Luft hängt.

Spielende Kinder

Ein Junge posiert vor dem Müll
Giftige Gase steigen in den Himmel
Wohnhütten umgeben von Müllsäcken
Arbeiter, die die LKWs beladen
Kinder am Straßenrand

Die Hoffnungslosigkeit steht diesem Jungen in’s Gesicht geschrieben

Wir sind angekommen: Auf der Müllhalde von Davao City. Ein Ort, der uns ein schreckliches Szenarium bietet und so viel Elend aufzeigt.

Wir schauen uns um und gehen zu den Jugendlichen, die umgeben von Müll am Feuer sitzen. Ausgelassen und lachend posieren sie vor der Kamera. Ein Junge verbrennt alte Stromkabel. Viel will oder kann er uns nicht erzählen. Wir erfahren, dass er das Kupfer, welches bei dem Ausbrennen des Gummis übrig bleibt, verkaufen würde. Für ein paar Pesos. Kilopreis. Bis er aber jemals ein Kilo zusammen bekommt, können schon mal viele Tage vergehen. Er lacht dabei. Fast schon verschämt. Ob er in die Schule ginge, fragen wir ihn nicht. Die Antwort kennen wir schon und ist offensichtlich.

Stromkabel ausbrennen, um das übrig gebliebene Kupfer verkaufen zu können
Dieser Junge sammelt alte Reissäcke. Ebenfalls zum Verkauf.

Die Straße weiter oben, blicken wir auf einen mit Plastikflaschen voll geladenen Hintergarten. Überall leere Flaschen. Bergeweise. Zwischendrin trocknet frisch gewaschene Wäsche. Und…ein Junge, der das Müllgut in kleine Körbe verfrachtet. 10 Jahre ist er erst jung. Ein Kind, welches wohl lieber seine Kindheit mit Spielen, Abenteuer erleben und Lachen verbringen wollen würde. Stattdessen ist es eine wichtige Arbeitskraft für seine Mutter, die die Flaschen säubert und in riesige Säcke schüttet, um damit ebenfalls nur ein paar lächerliche Pesos zu verdienen und wieder einen Tag überleben zu können.

Und dann wurde es auf einmal noch schlimmer..

„Kommt mit. Ich zeige euch das richtige Elend.“, sagt Mawe zu Esther und mir. Wir gehen weiter die Straße entlang. Biegen links ab. Und stehen plötzlich vor einem Meer von Müll. Ich traue meinen Augen kaum. Es wirkt so surreal. Im Hintergrund die Berge in Wolken gehüllt. Die Sonne blickt hindurch. Überall Palmen. Ein Anblick wie aus dem Bilderbuch. Im Vordergrund die Realität: eine Mülllandschaft, die Menschen, die in dem riesigen Haufen wie Ameisen aussehen und der elendige Gestank, verbunden mit der Hitze.

Surrealismus
Ein Meer von Müll

Es ist nun kaum noch auszuhalten. Stellt euch vor, ihr würdet den Kopf in eine Biomülltonne stecken, welche wochenlang in der prallen Hitze stand. Diesen Gestank, nur noch bedeutend schlimmer, atmen wir hier ein. Doch dieser Mief ist für die Müllmenschen alltäglich. Mit höchster Wahrscheinlichkeit Normalität. Vermutlich nehmen sie ihn gar nicht mehr als so schlimm wahr.

Am Rande werden die verschiedensten Wertstoffe sortiert und für den Verkauf vorbereitet. Zwischendrin steht ein kleines Mädchen. In Flipflops und Kleidchen. Schweißperlen kullern ihr Gesicht herunter. Ihre Eltern, die ebenso auf der Müllhalde arbeiten, rufen ihr zu: „Komm, lächle in die Kamera.“ Doch dem Mädchen ist nicht zum Lachen. Traurig schaut sie drein. Bis zu den Knöcheln im Dreck stehend. Ich frage mich, wie die Zukunft für ein solch junges Kind aussehen soll. Gibt es für sie überhaupt eine Zukunft? Aber nicht nur ihre Zukunft ist fraglich. Viele Kinder schleppen Müllsäcke durch die Gegend. Was wir hier zu sehen bekommen, ist mehr denn schrecklich.

Müll wird sortiert
Ein kleines Mädchen mittendrin
Kinder schleppen Säcke voller Müll: teilweise Barfuß, ohne jeglichen Arbeitsschutz

Plötzlich wird es laut. Um die Ecke biegt ein Mülllaster ab. Rückwärts kommt es die Straße herunter gefahren. Aufgeregt stehen die Arbeiter bereit. Gleich wird der LKW seine Ladung ablassen. Dann fallen die Müllsammler über den Unrat her, durchsuchen ihn nach allem, was ihnen ein wenig Geld bringen könnte. Unter ihnen befindet sich wieder ein Junge, der für ein paar Pesos kämpft. Der mithelfen muss, damit seine Familie sich etwas zu essen leisten kann. Damit seine Familie wieder einen Tag überstehen kann.

Wenn der LKW kommt und den nächsten Müll abwirft
Ein kleiner, schuftender Junge
Die Planierraupe, welche den Müll zusammen schiebt

Der Kampf ums Überleben vieler Menschen auf der Müllhalde

In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern landen Abfälle jeglicher Art auf solch ungeordneten Deponien, wie es in Davao der Fall ist. Auf den Philippinen gibt es viele davon. So auch in Manila und Cebu City. Sogenannte „Müllmenschen“, im Englischen Scavengers, sammeln und sortieren dort den Müll unter schwierigen und unmenschlichen Bedingungen. Sie verkaufen dann Wertstoffe und Recycelbares zu Kilopreisen und verdienen sich somit ein paar Pesos am Tag. Für ihre Familie. Für ihr Überleben.

Die Lebensbedingungen auf der Müllkippe sind sehr schlecht. Überall lauern Gefahren. Spitze und bedrohliche Gegenstände liegen herum, welche die Menschen und vor allem Kinder, die teilweise barfuß herum laufen, verletzen können. Nicht nur einmal fallen uns benutzte Blutkonserven und Spritzen auf dem Boden auf. Aber nicht nur diese Gegenstände bilden beste Voraussetzungen für Krankheiten und Verletzungen. Auch die fehlende Hygiene, Moskitos, Tiere, die sich im Müll verstecken und vor allem das Trinkwasserproblem, stellen eine große Gefährdung für die Menschen dar. Die Gefahr auf der Müllhalde ist allgegenwärtig.

Benutztes Krankenhausmaterial
Spritzen, die offen herum liegen und eine große Gefahr darstellen

Ebenso der giftige Dampf, den die Menschen bei der Müllverbrennung einatmen, ruft Atemwegserkrankungen hervor. Ein Junge, vielleicht drei oder vier Jahre alt, fällt mir dabei sofort auf. Sein Atem klingt schwer. Einfach schwer krank. Dabei ist es aber kein grippaler Infekt, keine fiese Erkältung. Sondern ist er in seinem jungen Alter schon schwer geschädigt von den Dämpfen, Gasen und dem Gestank, der auf der Müllhalde in der Luft hängt und die Lebensbedingungen der vielen Menschen immer schlechter werden lässt.

Ein Verschlag aus Brettern und Planen bietet Unterschlupf für viele Familien

Das Bild, welchem wir mit jedem Schritt näher kommen, wirkt erneut so unwirklich. Diese Landschaft im Hintergrund. Die langsam untergehende Sonne. Das Krähen des Hahns. Die Geräusche der Vögel. Das Plätschern des Wassers am Wegesrand. Wenn man die Augen schließen würde, könnte man denken, man befinde sich im Paradies. An einem harmonischen, friedlichen Ort. Aber mit jedem Schritt bergabwärts in die Wohnsiedlung abseits der Mülldeponie holt die Realität uns wieder ein.

Zwei Welten, wie sie unterschiedlicher nicht aufeinander treffen könnten
Eine von vielen Wohnhütten

Wir gehen an kleinen Hütten vorbei, die minimalistisch aus Brettern und Planen zusammengehalten werden. Auch hier sind die Familien von Müllbergen umgeben. Überall wo man hintritt, liegt Abfall. Das Plätschern des Wassers ist der Abwasserkanal. Die Plörre, dem die Kinder ausgesetzt sind, ist braun, mit Sicherheit giftig und höchst krankheitserregend. Ein Vater kommt uns mit seinem kleinen Sohn entgegen. Auch dieser zieht verstört einen Sack hinter sich her.

Das Plätschern des Abwassers

Ziemlich am Ende der Straße angekommen, erblicken uns zwei kleine Mädchen. Sie stehen vor ihrem Zuhause. Wieder ein Bretterverschlag, mit Planen versehen. Langsam tasten wir uns an sie heran und können sogar mit ihnen reden. Die große Schwester verrät uns das Alter und gemeinsam gehen wir mit ihnen zur Mutter, die uns auch schon entdeckt hat. Die Wohnsituation ist erschreckend. Als „Wohnen“ kann man das, was wir sehen, nicht bezeichnen. Mit sieben Kindern haust die Familie in nicht einmal vier Wänden. Als Schlafplatz eignet sich der Boden aus Bambusstäben. Wie alle neun Personen hier Platz finden sollen, bleibt uns ein Rätsel. Die Küche ist quasi unbrauchbar. Alles gleicht einer Bruchbude.

Zumindest geht der Familienvater ebenso als Scavenger arbeiten. Sein Verdienst schwankt tagtäglich. Mal gibt es ein paar mehr Pesos, mal weniger. Zwar ist es ein höherer Verdienst, als der der anderen Menschen, die wir befragen konnten. Doch um eine Großfamilie mit dem Nötigsten zu versorgen, reicht es nicht annähernd aus.

Ein Teil der Familie in ihrer Behausung
Die „Küche“
Der Schlafplatz

Wo anfangen zu helfen?

Die Müllhalde in Davao bringt im wahrsten Sinne des Wortes einen Haufen Probleme mit sich. Einerseits ist es das quasi nicht vorhandene Recyclingsystem. Der Müll landet auf ungeordneten Deponien. Das Grundwasser wird durch die vom Müll entstandenen Gase verunreinigt und ist somit ein großer Gefahrenpunkt. Andererseits ist die fehlende Schulbildung ein enorm problematischer Faktor. Der Großteil der Kinder, die die Müllhalde als Heimat bezeichnen muss, geht nicht in die Schule. Dabei ist Bildung wohl der einzige Weg, diesem Elend zu entkommen. Sich eine aussichtsreiche Zukunft aufbauen zu können. Eine Perspektive, die mehr als nur ein paar Pesos am Tag bietet. Mehr als nur Müll und Abfall.

Die fehlende Hygiene, welche unterschiedlichste Krankheiten hervorruft und die Lebensdauer der Menschen immens verkürzen lässt, ist ein weiterer Aspekt, dem man Abhilfe schaffen könnte. Es ist ein Kreislauf, bei dem es schwierig ist, einen Anfang der Besserung zu finden.

Die vielen traurigen, hoffnungslosen Kinderaugen. Der Junge mit den Atemwegsproblemen. Das verschämte Lachen des Jungen, der die Stromkabel verbrannte. Das Buckeln der Kinder auf der Müllhalde. Einfach alle Bilder, die sich an diesem Tag vor unseren Augen offenbaren, lassen uns nicht unberührt. Wenn man so viel Elend auf einem Haufen, so viel Leid sieht, kann man nicht mehr wegschauen.

„Viele kleine Leute, die in vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun,

können das Gesicht dieser Welt verändern.“

Wir haben uns deshalb zur Aufgabe gemacht, zu helfen. Das Problem zu bekämpfen, was den Bewohnern der Müllhalde deutlich zu schaffen macht: die Trinkwasserversorgung. Für uns ist es unvorstellbar, dass die Menschen nicht genügend Trinkwasser zur Verfügung haben. Deswegen möchten wir in näherer Zukunft mithilfe von vielen Spendern und Helfern, die an unser Projekt glauben, eine ausreichende Trinkwasserzufuhr schaffen. Uns ist bewusst, dass wir den Menschen auf der Müllhalde nicht das Leid und das Elend nehmen können. Wir können es aber mindern. Stück für Stück. Schritt für Schritt. Mögen diese noch so klein sein. Wir sind aber davon überzeugt, dass man vieles bewirken kann, wenn man daran glaubt und motiviert ist, dafür zu kämpfen. Das sind wir. Gemeinsam mit eurer Hilfe!

Unser Spendenaufruf an euch!
Nehmt euch die Zeit und taucht für einen kurzen Moment in eine andere Welt. In eine Welt, die für uns unvorstellbar ist. für die Menschen und vor allem für die Kinder dort, ist sie aber die pure, schreckliche Realität!MerkenMerken

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